Mensch-Erde-Kosmos-Zukunft: Vier Konzerte mit Studierenden der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst (HfMDK) im Senckenberg-Museum Frankfurt
Konzert 1: Mensch, Senckenberg-Museum Frankfurt,
18.01.2018
Eine perfekte Jonglage zwischen Mensch und Urzeit
Nach einer über zweijährigen Pause – man erinnert sich noch gerne an die Reihe „the elements: Wasser“ von 2015 – findet mit der Reihe „mensch-erde-kosmos-zukunft“, in Zusammenarbeit mit dem Institut für zeitgenössische Musik (IzM) und dem HfMDK , man ist geneigt zu sagen, endlich wieder eine Fortsetzung im Frankfurter Senckenberg-Museum statt. An vier Abenden (es folgen am 01.02. erde, 15.03. kosmos und 05.04. zukunft) führen Tänzer und Musiker der HfMDK durch die Weiten unseres Universums, von seiner Geburt bis zu Ausblicken in seine Zukunft.
Die Idee dazu, so in der kurzen Begrüßungsrede des
stellvertretenden Generaldirektors des Senckenberg-Museums, Prof Dr. Andreas
Mulch, sei die eines „neuen Museums“ unter der Kernfrage: Wie geht der Mensch
mit dem System Erde um? Auch Prof. Christopher Brandt, der Präsident der HfMDK,
bezog sich auf die Bemerkung des Heimatforschers Helmut Krause (1913-2015):
„Der Mensch ist mehr auf Landurlaub“, womit er den Naturcharakter unseres
Lebens herausstrich, wiewohl Dr. Karin Dietrich, die Direktorin des IzM, auf
das endliche Leben hinwies und die dargebotenen Stücke von Fausto Romitelli
(1963-2004) Seascape (1994), Moritz
Eggert (*1965) Außer Atem (1994),
Rolf Riehm (*1937) Gebräuchliches (1973)
und Mauricio Kagel (1931-2008) Atem
(1969/70) mit prägnanten Hinweisen versah.
Der Mensch also stand im Mittelpunkt einer überaus
beeindruckenden Performance zweier Künstlerinnen: der Bläserin Caroline Rohde und der Tänzerin Maria Kobzeva. Beide Studierende an der HfMDK, die eine mit abgeschlossenem
Bachelor und dem Ziel Konzertexamen für Blockflöten und die andere mit
abgeschlossenem klassischen Tanzstudium an der Vaganova Ballet Academy in
Russland, seit 2015 in der Absicht der Erweiterung ihre Fähigkeiten im
zeitgenössischen Tanz.
Leben-Bewegen-Sterben und dazwischen Atmen, Atmen, Atmen. Romitellis Seascape machte den
Anfang. Vom weiträumigen Lichthof 1 wanderte das überaus zahlreich erschienene Publikum in die zweigeschossige Mineralogie und erlebte quasi die Geburt allen
Lebens. Auf einer Petzold-Kontrabassflöte erzeugte die Solistin wabernde Sounds,
wellengängig, flüssig wie die Ursuppe. Dazu ein embryonaler Tanz auf einer
schmalen Bank. Die Geburt und die Töne des ersten Sauriers, so der spontane
Kommentar aus dem Publikum.
Die Tänzerin robbte zurück in den gewaltigen
Lichthof 1 in ihrem Schlepptau die Menschen. Auf der erhöhten Treppe folgte
Eggerts Außer Atem. Ein virtuoser Tanz auf Sopran-,Tenor- und Altflöte. Mal
simultan auf zwei Instrumenten, mal mit Stimme sogar ein dreistimmiger Ritt auf der
schmalen Oberfläche der Hölzer. Der Balztanz eines Flugsauriers, oder die Lust
am Leben.
Dann der improvisierte Tanz in der Meeressaurier-Halle. „Youth“ sein
Titel. Das pure Leben, der Überschwang, der Erfahrungshunger: ein zwei minütiger
Kampf vom Wasser zum Land und hinüber in den Lichthof 2 zu Riehms Gebräuchliches. Acht Notenblätter
nebeneinander gestellt und eine Flötistin (Rhode spielte auf einer Tenorflöte),
die neben technischer Brillanz auch theatrale Fähigkeiten unter Beweis stellte. Eine
Collage aus bekannten klassischen Motiven - von Bach über Mozart bis Beethoven - wurde unterbrochen von Jauchzen, Seufzen, Wortfetzen wie Ja oder Nein, von
tänzerischen und marsch ähnlichen bis zu gesanglichen Einlagen. Fingerfertigkeit
und höchst anspruchsvolle Atmung führten bis zur Erschöpfung. Beide
Protagonistinnen wandelten sich jetzt zu Tänzern, alt geworden, erschöpft, gebeugt.
Zurück im Lichthof 1 ging über Kagels Atem den
Künstlerinnen im wahrsten Sinne des Wortes die Luft aus. Beide waren nur noch
darauf aus, die Instrumente, ein Renaissance-Fagott, eine Kontrabassflöte, eine
Renaissanceflöte und eine Okarina, zu pflegen, auseinanderzubauen,
zusammenzusetzen, zu putzen und zu wienern. Die dabei erzeugten Klänge wirkten
verstörend. Es klopfte, rauschte und rieb über verschiedene Hölzer. Die
Banalität der Musik, vielleicht auch die des Lebens wurde einem vor Augen
geführt. Ein Pausenzeichen leitete den Schluss ein, die beiden Künstlerinnen
fielen zu Boden, ihre Instrumente, ihr Leben, ihr Tanz hatte ein Ende gefunden.
Kommentar eines Besuchers: Ich fühlte mich wie aus einem Urwald schauend, sah
die Menschen und ging lieber wieder zurück in den Urwald.
Caroline Rohde bei Rolf Riehms Gebräuchliches (1973) |
Ein absolut gelungener Auftakt der Konzertreihe „mensch-erde-kosmos-zukunft“. Viel
Beifall für zwei außergewöhnliche Studierende der HfMDK, die souverän auf dem
fragil gespannten Bogen zwischen Mensch und Urzeit der Saurier, immerhin eine
Zeitspanne von vielen Millionen Jahren, musikalisch wie tänzerisch jonglierten.
Eine Meisterleistung auf hohem Niveau.
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